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Die Archäologie der Burganlage Weißenstein (von Cornelia Schink)

Die Burg Weißenstein war einstmals eine großflächig ausgebaute
Burganlage und zählte zu den größten und bedeutendsten Burgen Ostbayerns. Der
Anblick der jetzigen Burgruine lässt die ursprüngliche Größe und Bebauung der
Burganlage kaum erahnen. Erst bei intensiver Betrachtung des gesamten Burgareals
und seiner Umgebung wird der Umfang der einstigen Burgbebauung fassbar.

Die Burg Weißestein wurde auf der höchsten Erhebung (760
m NN) eines Bergrückens aus Pfahlquarzgestein, dem Pfahl, errichtet. Der Burgtypus
Weißenstein ist eine spätmittelalterliche Höhenburg. Die achsiale Ausrichtung
der Oberburg ist durch die längsgestreckte Lage des schmalen und extrem steilen
Felsengrates bedingt. Die Ausdehnung der Burganlage basiert zwangsläufig auf
den geologischen Gegebenheiten. Das schmale Pfahlquarzriff bedingte die Aufreihung
der einzelnen Bauten hintereinander gemäß dem Gebirgsverlauf.

Die Burgbebauung


Die ursprüngliche Burganlage weist eine Zweiteilung auf mit
Oberburg und Unterburg.

Die Oberburg, deren Mauerruinen
heute so beeindruckend und imposant die Silhouette der Burg kennzeichnen, bestand
im Kern aus einem mächtigen fünfeckigem Turm und dem Zentralbau oder Mitteltrakt
mit integrierter Schildmauer und einem ehemaligen Südanbau. Die ursprüngliche
Funktion des Bergfrieds ist ungesichert, es wird sich vermutlich in der Anfangsphase
der Burg um eine Kombination aus Wehr und Wohnturm gehandelt haben, in späterer
Zeit (16. Jh.) hatte er wahrscheinlich Wehr und Beobachtungsposten-Funktion.
Der zweigeschossige Bergfried besitzt einen Hocheingang.

 

Das 1. Geschoss war durch Bruchsteinmauern in 3 Räume
geteilt und trug vermutlich ein Ziegelgewölbe. In der Außenmauer sind breite
Fenstersitznischen integriert, welche Um-/Einbauten des 15./16. Jahrhunderts
sein dürften. In die behauenen Falze der bearbeiteten Bruchsteinfensterumrahmung
konnten Holzkonstruktionen für Fensterverglasung arretiert werden. Der größere
Raum besitzt eine integrierte Mauernische, von welcher ein schräg nach unten
gemauerter kanalartiger Schacht bis zur Außenmauer verläuft und dort endet.
Mit ziemlicher Sicherheit diente der Schacht als Latrinenabfluss. Das 2. Geschoss
trägt Wandnischen zu fortifikatiorischen Zwecken, sie waren besonders zur Aufnahme
von Armbrustgeschützen geeignet.

Der viergeschossige Mitteltrakt war der ehemalige Wohnbereich
der Burg. Im palasartigen Haupttrakt befand sich ein großer repräsentativer
Raum, in dem Versammlungen,  Empfänge, Gerichtsverhandlungen, Musterungen,
Gastmahle etc. stattfanden. In den oberen Stockwerken waren Kemenaten und weitere
Stuben untergebracht.

An der Außenmauer der Nordseite des Mitteltraktes befinden
sich die steinernen Auflagerkonsolen einer weiteren ehemals erkerartig vorragenden
Latrinenanlage. Im Süden an den Mitteltrakt angebaut befand sich der  Südturm,
der jetzt völlig abgegangen ist. Jedes Geschoss des Mitteltraktes war durch
rundbogenförmige Türöffnungen mit dem Südanbau verbunden. Im Südturm befanden
sich Stuben und Kammern. Das Untergeschoss des Mitteltraktes trägt Gewölbekonstruktionen
aus Ziegel.

Zur Unterburg gehörten
ein Nordturm in Eckposition mit starker Burgaußenmauer, ein Torturmgebäude,
das heutige Fressende Haus, das Pflegamtsgebäude mit Wohnung und Amtssitz des
Pflegers zu Weißenstein, ein Untertorgebäude und die Ochsen- und Pferdestallungen.
Des weiteren befand sich eine Burgkapelle und ein Burggarten im Unterburgareal.
Bei partiellen archäologischen Freilegungsarbeiten konnten 1997/98 ein Kellerraum
und die Umfassungsmauern eines Nordturmes oberirdisch freigelegt werden. Die
Fülle der Funde aus diesem Bereich (Tierknochen, Gebrauchsgeschirrkeramik)
deuten auf die Funktion eines Wirtschaftsgebäudes im neu entdeckten Nordturm
hin.

Die meisten Bauten des Unterburgareals wurden durchgehend
bis in die jüngste Neuzeit benutzt und sind daher trotz Entkernung und zahlreichen
Um- und Neubauten zum Teil in ihren Fundamenten und Außenmauern erhalten. Diese
Gebäude befinden sich z.T. in Privathand.

Die Burgarchitektur trägt hauptsächlich
das Gepräge des 16 Jahrhunderts. In der 2. Hälfte des 15. und im 16. Jahrhundert
wurden die im Böcklerkrieg 1468 zerstörten Bauten wiederhergestellt und die
Gesamtanlage repräsentativ ausgebaut. Weitere archäologische Untersuchungen
könnten erste und neueste Erkenntnisse über die Bebauung im Unterburgareal
liefern.

Historie


Die älteste überlieferte Ansicht der Burg Weißenstein
stammt von Philipp Apain 1568. Auf seiner 12. Bairischen Landtafel zeigt Apain
die Burg, hoch oben auf dem Pfahlquarz, mit zwei starken Türmen und einem mächtigen
Zentralbau dazwischen und südöstlich vorgelagertem weiterem Gebäude.

Eine weitere Ansicht der Burganlage lieferte Wening um 1720
in seinem Kupferstich „Das Churfürstliche Schloß Weissenstain“. Der Kupferstich
zeigt die Burganlage von Südosten. Die Beschädigungen an den Gebäuden wurden
im Dreißigjährigen Krieg verursacht.

Die Lage der Burg Weißenstein wurde bestimmt von geographischen,
handelspolitischen und herrschaftsexpansiven Faktoren. Die Burg wurde an zentraler
Stelle am Handelsweg von der Donau nach Böhmen erbaut. Die exakte Datierung
der Erstbebauung der Burg kann bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Die
Burg entstand wahrscheinlich spätestens in der 2.Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Eine Datierung in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts oder um 1100 ließe sich
mit der Kolonisation der Gegend um Kloster Rinchnach begründen. Der Burgbau
wurde vermutlich von den Grafen von Bogen initiiert als Ministerialensitz in
ihrem Vogteigebiet.

Die Ausdehnung und Baulichkeiten der Burg Weißenstein
zur Zeit der Grafen von Bogen wurden bisher nicht erfasst. Zum ersten mal wird
die Existenz der Burg in einer Urkunde aus dem Jahre 1244 erwähnt als „castrum
in Weizzenstain“. Nachdem  mit dem Aussterben der Bogener Grafen 1242 die Burg
in den Besitz des bayerischen Herzog Otto II. gekommen sein dürfte, wurden
die Ritter von Degenberg mit der Burg belehnt. Die Degenberger übten höchste
Würdenämter im Herzogtum aus. 1339/40 geschieht die Allodifizierung von Weißenstein,
d.h. Weißenstein wird Eigentum der Degenberger.

In der Folge forcierten sie den Auf- und Ausbau ihrer
Herrschaft. Die Degenberger brachten zahlreiche Güter und Dörfer in ihren Besitz,
ihr Herrschaftsbereich wurde immer umfangreicher. Im Böcklerkrieg 1468 gegen
Herzog Albrecht IV. wurden sämtliche Burgen des Degenbergers und der Markt
Zwiesel belagert, beschossen, gebrandschatzt, zerstört und z. T. wie Altnussberg
dem Erdboden gleichgemacht. Aus der Zeit des Böcklerkrieges stammen diverse
Armaria wie Pfeileisen und Armbrustbolzen, die im Burgareal Weißenstein 1997/98
zum Vorschein kamen.

1474 fand der Degenberger bei Herzog Albrecht IV.
wieder Gnade und erhielt seine Besitzungen zurück. Die Burg Weißenstein wurde
wieder aufgebaut. Die jetzt noch fassbare Ausdehnung der Burganlage und die
Gebäude und Ruinenmauern sind zum größten Teil der Instandsetzung der Burg
in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts und Erweiterung im 16. Jahrhundert zuzuordnen.
Die Freiherren von Degenberg begannen erneut, ihre beträchtlichen Herrschaften
von Furth im Wald bis Passau auszubauen.

Basierte die Politik der Degenberger bis zum Ende
des 15. Jahrhunderts auf der Durchsetzung ihrer reichsunmittelbaren Ziele mittels
militärischer Unternehmungen, so änderten sie im 15. und 16. Jahrhundert ihre
Strategie und forcierten den Ausbau von Handel und Wirtschaft. Ziel der Degenberger
war nun die Konsolidierung von Macht, Reichtum und Einfluss auf handels- und
wirtschaftspolitischer Ebene.

1602 starb das Geschlecht der Degenberger aus. Weißenstein
kam in den Besitz Maximilians von Bayern. 1609 erfolgte die Errichtung des
Pflegegerichts Zwiesel-Weißenstein und die Einsetzung eines kurfürstlichen
Pflegers mit Amtssitz auf der Burg.

Im Dreißigjährigen Krieg suchten die Schweden auch
die Burg Weißenstein heim. Ihre Zerstörungswut traf vor allem die Innenbebauung
und den Dachstuhl der Oberburg. Das Torturmgebäude (Fressendes Haus) und das
Amts- und Wohngebäude des Pflegers wurden repariert und instand gesetzt.

Vermutlich um 1680 war ein neuer
Schlossbau im Burgareal geplant. Die Pläne kamen jedoch nicht zur Ausführung.
Um 1720-1726 war die Burg bereits baufällig. 1742 wurde die Burg im Österreichischen
Erbfolgekrieg erneut eingenommen und zerstört. 1764 ließ ein Sturmwind die
Südseite der Burg mit dem Südanbau völlig einstürzen. Danach blieb die Oberburg
eine Ruine; das Torturmgebäude und das Pflegamtsgebäude wurden erneut repariert.

In der Epoche der Romantik galt die Burgruine vielen
Künstlern, unter anderem Malern, als begehrtes Objekt. Im 19. Jahrhundert wurde
die Burganlage als Steinbruch zweckentfremdet. Tausende Bruch- und Werksteine
wurden abtransportiert. Auch das Quarzgestein des Pfahls wurde gewerbemäßig
abgebaut und an Glashütten oder zum Wegebau geliefert. Die benutzbaren Gebäude
der Unterburg wurden an Privat veräußert, so das Torturmgebäude, das Pflegamtsgebäude
und der Grund des Untertorgebäudes und der Pferde- und Ochsen-Stallungen. Das
Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte die Burgruine als regionales und überregionales
Ausflugs- und Tourismusziel. Die Waldvereinssektion Regen übernahm die Betreuung
der im Eigentum des Bayer. Staates befindlichen Burgruine.

Eine Instandsetzungsmaßnahme in den Jahren 1991-1995
rettete die Burgruine vor dem endgültigen Zerfall. Zugleich mit den Mauerresten
wurde das Pfahlgestein verpresst und gesichert. 1996 kam die Burg in den Besitz
der Stadt Regen.

Die Sachkultur


Die Stadt Regen ließ in den Jahren 1997/98 partielle
Freilegungsarbeiten im Burgareal durchführen. Bei den archäologischen Untersuchungen
wurde eine Fülle an Funden und Befunden gewonnen.

Die Funde zeugen von einem äußerst breiten Fundspektrum,
sie sind Sachkulturzeugen des Lebens auf einer Burg des Spätmittelalters.

Einige dieser Sachkulturgüter sind im Museum im Fressenden
Haus in einer kleine, prägnant informativen Dauerausstellung präsentiert.

Armaria wie Pfeileisen, Armbrustbolzenspitzen, Geschützkugeln
diverser Größe, Gussformfragmente für Geschützkugeln, Kanonenkugelgeschoss
und die Mechanik einer gewaltigen Armbrust zeugen von Zerstörung und Kampf.
Zubehörteile eines Harnisch und Kettenhemdes konnten geborgen werden sowie
Pferdezubehör. Zum Trachtzubehör gehören diverse Gürtelschnallen und Beschlagbleche
für Gürtel oder Zaumzeug. Von der alltäglichen Lebenswelt des Mittelalters
künden Fingerhüte, Knopf und eine Haarnadel. Auch Spielzeug wie eine Tonmurmel
und ein Musikinstrument, eine Maultrommel kamen ans Tageslicht. Münzfunde künden
von Handel und Geldwirtschaft, zahlreiche Glasfragmente sind die Reste von
Gläsern und Glasbutzenscheiben für Fenster. Beispiele für Werkzeug, Schloß,
Schüssel, Messer mit Goldverzierung und Verzierbleche für Mobiliar sind ausgestellt.

Den weitaus größten Teil der Funde nimmt die Keramik
ein. Ofenschüsselkacheln und Ofenkacheln diverser Form, z.T. polychrom glasiert,
Fußbodenfliesen und Firstdachziegel zeugen von der Verwendung von Baukeramik.

Bei der Gefäßkeramik handelt es sich überwiegend um
Gebrauchsgeschirr. Das Formengut setzt sich zusammen aus Töpfen, Kannen und
Krügen, flachen Schüssel- und Tellerformen. Die Gefäße tragen z.T. Verzierungen,
Innen- oder Außenglasur oder Bemalung. Auch Miniaturgefäße und ein Henkel einer
Kupferkanne kamen zum Vorschein. Der keramische Formenschatz entspricht dem
der bereits bekannten Gebrauchskeramik des ostbayerischen Raumes.

Mit dieser Auswahl an Funden wird ein Einblick in
die Welt des Mittelalters in unserer Heimat möglich. Nur archäologische Funde
und Befunde können detaillierte Kenntnisse über die Lebenswelt in früheren
Zeiten liefern.

© Cornelia Schink

Die Freunde der Burganlage Weißenstein
e.V. bedanken sich sehr herzlich bei Frau Cornelia Schink für die Bereitstellung
dieser Ausarbeitung, sowie Teilen des Bildmaterials.


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